Dominique Horwitz

Mackie Messer heizt in Neuenhaus ein

Der bekannte Schauspieler und seine Band nahmen rund 300 Besucher in der Neuenhauser Schulaula mit auf einen effektvoll inszenierten musikalischen Gewaltmarsch durch die Welt des Mackie Messer. Das Gastspiel setzte einen fulminanten Schlusspunkt unter das erste Konzerthalbjahr des Neuenhauser Kulturpasses und der Bürgergemeinschaft Emlichheim.

Nur eher beiläufig orientierte sich die Show an den Originalmelodien Kurt Weills, etwa bei der weltbekannten Morität von Mackie Messer (“Und der Haifisch, der hat Zähne”). Sie durchzog das Konzert wie ein Leitmotiv. Stattdessen gingen die Künstler extrem unkonventionell und experimentell wie Brecht und Weill einst selbst mit diesem anti-Bürgerlichen musikalischen Werk um: Das neue Arrangement von Jan-Christof Scheibe war eine ästhetische Herausforderung für die Ohren und ein Leckerbissen insbesondere für die Kenner der Lieder. Dominique Horwitz sang alle Lieder, die Songs des Bandenchefs Mackie Messer, des skrupellosen Bettlerausbeuters Peachum, die von dessen Tochter Polly oder die der Spelunken-Jenny. Auch die Duette bestritt er allein, den Wechsel der Personen konnte der Eingeweihte dabei etwa anhand der spontan wechselnden Mimik und Haltung erkennen. Verspielt wie ein Possenreißer und flink wie ein Wiesel huschte Horwitz über die Bühne. Wie ein Chamäleon wechselte er blitzschnell von einer verschmitzten und schelmischen Betrügerpose zu vorgetäuschter weiblicher Naivität, zu soldatenhaftem Gebaren und gebieterisch-verstockter Häme. Bald schneidend, gefühlskalt dröhnend, bald mit gespieltem Charme und einfältig säuselnd war seine Stimme. Horwitz bewies eine enorme Bühnenpräsenz. Bei der musikalischen Umsetzung von bloßer Untermalung zu sprechen, wäre unpassend, dominierten laute Hardrock-Rhythmen, die dann leider auch den Zuhörer nicht selten so zudröhnten, dass es Schwierigkeiten bereitete, den Zusammenhang zur textlichen Aussage herzustellen. Aber auch hier überraschte das Ensemble mit effektvollen und überraschenden, um nicht zu sagen rasanten Stilwechseln zum Jazz, zur Rockballade, zur Countrymusik, zum musikalischen Cabaret. Diese Wechsel überstürzten sich gelegentlich derart, dass die Show zuweilen wie eine Parodie ihrer selbst erschien. Breiten Raum bekamen die Instrumentalsolisten am Klavier (Jan-Christof Scheibe), am Schlagzeug (Martin Langer), an der E-Gitarre (Mirko Michalzik) und am Kontrabass oder einer weiteren E-Gitarre (Uli J. Messerschmidt). Insbesondere Uli Messerschmidt zauberte am Kontrabass bizarre Stimmungswelten, wie man sie von diesem Instrument sicher nicht gewohnt ist: Romantisch-lyrischen Takten folgten bedrohlich-abgründige, geradezu geisterhaft wirkende Tonfolgen und dann Ausflüge, ja Einbrüche in ständig neue Klangsphären. Songs anderer Künstler ergänzten das Programm, etwa “Polly” von “Nirvana”, das nicht nur der Namensgleichheit wegen einer ebenso legitimen Anleihe darstellt Charles Aznavours Chanson “For me, formidable”. Beide gaben der Darbietung einen Hauch von musikalischem Cabaret zurück, den das Arrangement an anderer Stelle vermissen ließ. Nicht zuletzt boten diese fremdsprachigen Einsprengsel Horwitz auch die Gelegenheit, sein multisprachliches Talent deutlich und einprägsam vorzuführen. Es mag wohl stimmen, dass es nur eingefleischten Insidern gelingen konnte, jede musikalische Nuance in einen Zusammenhang mit den jeweiligen Liedtexten und der Gesamtaussage von Brechts Werk zu setzen. Spätestens bei einigen deutlich artikulierten und typisch Brechtschen Parolen wie die aus dem zweiten Dreigroschen-Finale “Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral””hatte indessen auch wohl jeder interessierte Laie eine Vorstellung, wovon die Rede war. Andere Textbausteine wie aus dem dröhnenden Lied der verwegenen und naiven Seeräuber-Jenny “Kommt ein Scheeehff mit acht Segeln””waren da schon schwieriger einzuordnen. Spektakulär war aber das Hör- und Seherlebnis bei dieser fulminant arrangierten musikalischen Collage allemal und den einen oder anderen Zuhörer mochte der Abend ja vielleicht auch zu einer erneuten Brecht-Lektüre angeregt haben. Die drei zu spielenden Zugaben jedenfalls zeigen, dass die Schöpfer dieses innovativen musikalischen Konzepts den richtigen Riecher hatten.

Text: Marcus Pfeifer, Fotos: Gerold Meppelink