Mit dem Namen Jacques Loussier verband sich vor einer Generation das überaus erfolgreiche Projekt “”Play Bach””. Damals musizierte er gemeinsam mit dem Schlagzeuger Christian Garros und dem Bassisten Pierre Michelot. Inzwischen ist es um Loussier stiller geworden, er hat sich aus dem Konzertleben weitgehend zurückgezogen. Dennoch ist seine musikalische Entwicklung weiter gegangen.
Loussier hat selbst komponiert – beim diesjährigen Braunschweiger Classix-Festival wurde sein Violinkonzert wieder aufgeführt – und er ist auch in der Arbeit mit seinem Trio neue Wege gegangen. Heute stehen ihm der Bassist Benoit Dunoyer de Segonzac und der Schlagzeuger Andre Arpino zur Seite. Beide sind als Musiker weitaus vielseitiger als Michelot und Garros. Sie haben Erfahrungen in fast allen Segmenten der Musik, nicht nur im Jazz.
Jacques Loussier hat mit seinen 70 Jahren ein wenig an Fingerfertigkeit eingebüßt, aber ganz und gar nicht an Leichtigkeit des Spiels und an Inspirationskraft. Die Zuhörer erlebten somit ein äußerst lebendiges und vielfältiges Konzert. Dessen größter Teil stand natürlich unter dem Motto “”Play Bach””. Die drei begannen mit dem D-Dur-Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier I. Wie kaum ein anderes entspricht es in seinem auftaktigen Perpetuum-mobile-Charakter einem Jazzstück. Die drei Musiker ließen sich sofort in die rechte Stimmung ihres Wechsels zwischen Original und Improvisation versetzen.
Das folgende c-Moll-Präludium intonierte Loussier recht zurückhaltend, fantasierte mit seinen Begleitern über einzelne Sequenzen des Stücks und gab dann einem fulminanten Bass-Solo Dunoyer de Segonzacs Raum. Was ihm da gelang, hat man von einem Kontrabass kaum je gehört. Atemberaubendes mehrstimmiges Spiel, Phrasen in Klanghöhe der Geige und dazwischen immer wieder Übergänge aus traditionellen Walking-Bass-Passagen.
Einen Schwerpunkt des Programms bot die folgende Bearbeitung des Klavierkonzertes d-Moll. Hier zeigte sich exemplarisch der Spielstil des Trios. Loussiers Art der Stimmführung lässt sich am besten mit dem architekturhistorischen Begriff des “Überfangens” beschreiben. Die Melodie wird durch die Begleitinstrumente gleichsam geklammert. Durch diese Bindung ergibt sich für den Pianisten eine größere Freiheit, interpretatorische Akzente zu setzen.
Am Schluss des ersten Satzes erhielt auch Andre Arpino sein Solo. Im Gegensatz zu traditionellen Schlagzeugsoli stellte er nicht sein technisches Können in den Vordergrund, sondern seine Musikalität. Der Schwerpunkt lag nicht auf dem rasenden Wechsel innerhalb des Sets, die Hihats spielten nur eine geringe Rolle, es war eine Musik der dumpfen Trommeln von eindrucksvoll komplizierter Rhythmik.
Nach der Pause gab es zunächst einige ansprechende Kostproben aus dem Kosmos der Goldbergvariationen, ehe das Trio sich der französischen Musik zuwandte. Bei Debussy darf man fragen, ob dessen Klaviermusik zur Weiterbearbeitung geeignet ist oder ob hier nicht der Klaviersatz schon alles sagt. Das gilt weniger für die Arabesque, auch wenn die Bearbeitung hier ein wenig an Barmusik erinnert, sicher aber für “L’isle joyeuse” dessen musikalische Traumwelt eigentlich keinen Überschuss für Bass und Schlagzeug enthält. Ganz anders ist das bei Erik Satie.
Wenn er das Loussier-Trio gekannt hätte, hätte er seine “”Gymnopédie I”” sicher für dieses Ensemble geschrieben. Hier stimmte einfach alles. Den abschließenden Höhepunkt bildete Ravels Bolero. Mit sparsamsten Mitteln, aber immer in gleicher Augenhöhe mit der Komposition zelebrierte das Trio seine Improvisationen, ließ oft das Publikum sich die Melodie denken und gestaltete nur dessen Rhythmus und markante Einzeltöne.
Minutenlanger stürmischer Beifall beschloss dieses eindrucksvolle musikalische Erlebnis. Mit einem fetzig aufgemachten Schlusssatz aus Bachs E-Dur-Violinkonzert bedankten sich Jacques Loussier, Benoit Dunoyer de Segonzac und Andre Arpino.