Einen Tag vor der Ausstrahlung des ARD-Tatorts “Ein ganz normaler Fall” am vergangenen Sonntag ließ sich der dort zuständige Krimi-Kommissar Ivo Batic alias Miro Nemec kurioserweise in Neuenhaus blicken, allerdings nicht, um eine Mörderbande aufzuspüren, sondern um mit acht Mitstreitern aus dem bayrischen Hof seiner ursprünglichen Berufung nachzugehen: der Musik.
Tatsächlich genoss Miroslav Nemec am Mozarteum in Salzburg zunächst eine musikalische Ausbildung, bevor er viel später zum Fernsehen überwechselte. Und dass er auch noch immer stimmgewaltig rocken kann, bewies der 57jährige gebürtige Kroate eindrucksvoll. Spätestens nach der Pause hatte er es geschafft, den Großteil seines etwa 200 Zuschauer zählenden Publikums von den Sitzen zu reißen und vor der Bühne zu versammeln.
Das war schon eine reife Leistung, denn viele der Gäste waren wohl eher ohne irgendeine klare Vorstellung von der musikalischen Orientierung von Herrn Nemec und Co gekommen. Sie hatten sich die Bühne offenbar eher als vergrößerten Fernsehbildschirm gedacht, vor dem man es sich gemütlich machen und zur Not auch mal einnicken könnte, ohne dass es groß auffällt.
Nach eher ruhigen Einstiegsnummern wie dem Folk-Song “Helplessly Hoping” der legendären Formation Crosby, Stills & Nash steigerte sich die Band tempomäßig hingegen unaufhaltsam und das Publikum bekam es nach dem Beatles-Song “While My Guitar Gently Weeps” bald mit einer geballten Ladung von Rock-Evergreens etwa der Rolling Stones wie “Sympathy for the Devil” oder “Honky Tonk Woman” zu tun, schließlich auch mit schnellen Poprhythmen neueren Datums, z.B. mit Billy Idols “Rebel Yell” oder “Rockin’ All Over the World” der Gruppe Status Quo.
Gespickt wurde der erste Teil des Programms aber auch mit skurrilen Liedern wie “Calypso” von Ernst Jandl, der sich bei der Abfassung des Textes für diesen Song anscheinend nicht klar für eine Sprache entscheiden konnte (“ich was not yet in brasilien nach brasilien wuld ich laik du go”) sowie Liedern aus seiner kroatischen Heimat.
Mehr oder weniger direkt auf sein Tatort-Engagement verwies Nemec mit “Junimond” von Rio Reiser, der einmal einen Gastauftritt in einem Batic-Tatort hatte, sowie mit Klaus Lages “Tausendmal berührt”, dessen legendärer Tatort-Song “Faust um Faust” ja allerdings bekanntermaßen nicht für Nemec selbst, sondern für “Schimmi” alias Götz George ein Markenzeichen wurde. Jedenfalls zeigte sich bei dem hier vorgetragenen Lied kurz vor der Pause, dass mit dem Neuenhauser Publikum durchaus zu rechnen ist, denn hier gefiel sich ein Großteil desselben dabei und war auch in der Lage, den Refrain lauthals mitzusingen. Das Fundament für eine ausgelassene Tanzfete im zweiten Teil war gelegt, wo dann jeder nach seiner Façon zu den rockigen Klängen der Band abtanzte, der eine, indem er sich hemmungslos allein produzierte, die anderen, indem sie paarweise alte Tanzstundenkenntnisse unter Beweis stellten.
So viel Stimmung in die trübe norddeutsche Landschaft gezaubert zu haben, ist schon auch ein Qualitätsbeweis für diese Formation, die sich 1996 zunächst eigentlich nur gebildet hatte, um Spenden für Kriegswaisen der Jugoslawien-Kriege zu sammeln und erst in jüngster Zeit ausschließlich in eigener Sache unterwegs ist.
Ohne auf jeden einzelnen in gebührendem Maße eingehen zu können, seien auch noch die herausragenden Leistungen der Mitstreiter Nemecs hervorgehoben, insbesondere die von Robert Kretzschmar am Saxophon, Markus Hager als Frontmann der sage und schreibe fünf Gitarristen der Band sowie Uli Saalfrank, der viele Lieder ebenso energisch interpretierte wie Nemec selbst.