Wilfried Schmickler

Wilfried Schmickler beeindruckt und amüsiert sein Publikum in der Neuenhauser Schulaula

Bei uns in der Provinz kennt man Wilfried Schmickler nur von seinen Auftritten in den “Mitternachtsspitzen” des WDR. Sein stets mit “Aufhören, Herr Becker” eingeleiteter Schlussauftritt ist ein Höhepunkt dieser Sendung. Während seines zweiständigen Programms “Danke”, mit dem Schmickler am Freitag in der Neuenhauser Schulaula gastierte, wurde sehr viel gelacht. Dabei wäre es vielleicht an manchen Stellen doch besser gewesen, das Lachen ein wenig gefrieren zu lassen. Aber Schmickler gab vor, sein Publikum auch mit zum Teil alten Witzen bei Laune halten zu müssen.

Denn ein abendfüllendes Soloprogramm gehorcht natürlich anderen Gesetzen als ein vierminütiges Sprach- und Gedankenfeuerwerk wie in den “Mitternachtsspitzen”. Sowohl von der Thematik wie von den Gestaltungsformen her hat “Danke” Revuecharakter. Schmickler beginnt (erstaunlich gut) singend. Der Titelsong ist eine gelungene Parodie des zum Gesangbuchlied avancierten religiösen Popsongs aus der Zeit der Vollbeschäftigung, dessen vierte Strophe “Danke für meine Arbeitsstelle” heute schon von allein wie Satire wirkt. Bei allen gesungenen Texten erstrahlt der Bühnenhintergrund in rotem und weißem Licht, wohl in Anlehnung an Brechts satirische Regieanweisungen zu den Songs der Dreigroschenoper “Goldene Songbeleuchtung. Die Orgel wird illuminiert””.

Dem musikalischen Auftakt folgt eine zweistündige, natürlich von einer Pause unterbrochene, Generalabrechnung mit allem, was wir täglich aus den Medien über Staat und Gesellschaft erfahren. Es beginnt mit der Bundesregierung aus Verlierern, Mega-Verlierern und Giga-Verlierern, die ausbaden muss, was “der deutsche Wähler und seine Frau, die deutsche Wählerin”, angerichtet haben, und doch nicht weiß, wie.

Herr Rogowski als Dauergast bei Sabine Christiansen bekommt etwas ab, natürlich auch die Lieblinge aller Kabarettisten, Guido Westerwelle und Edmund Stoiber.

Beim Bundespräsidenten genügt die Namensnennung für den Lacherfolg, aber auch dessen Charakterlächeln gelingt Schmickler unnachahmlich. Kaum kann man den Pointen und Sottisen folgen, so dicht fallen die Treffer.

Was Hartz I-IV von Winnetou I-III unterscheidet, wird reflektiert, die Angst der Bewohner unseres reichen Landes vor der totalen Verelendung wird ebenso verspottet wie die Totalverblödung durch das Fernsehen und die Wellnesssucht des neuen deutschen Mannes.

Insgesamt erscheint die Zukunft rabenschwarz, aber im Unterschied zu den “Mitternachtsspitzen” trägt Schmickler diesmal kein schwarzes Hemd, sondern ein rotes. Denn der Satz von Lothar Matthäus, dem “letzten wirklichen Deutschen”: “Wir dürfen den Sand jetzt nicht in den Kopf stecken” ist ja doch wohl so etwas wie eine Zukunftsperspektive. Die Zuschauer zeigten sich nach diesem Gedanken- und Pointenfeuerwerk allesamt begeistert.

Und eine Zugabe gab es natürlich nicht. Wie denn auch?

Text: Jörg Leune, Fotos: Klaus Mosch-Wicke