Dieter Hildebrandt

Dreistündiges Kabarett begeistert Publikum in der ausverkauften Neuenhauser Aula

450 Zuschauer erlebten auf Einladung der Kulturpassinitiative Neuenhaus einen bestens aufgelegten Politentertainer. Die sechs “”Philharmonischen Cellisten Köln”” ergänzten Dieter Hildebrandts Auftritt mit gekonnten komödiantischen Einlagen.

Es war schon eine eigentümliche Konstellation, die sich da dem Publikum bot: Dieter Hildebrandt, das Urgestein des deutschen Kabaretts, auf Tournee mit einem bunt zusammen gesetzten Sextett aus Cellisten, die alles andere als eine galante Untermalung darstellten für den wohl altgedientesten Politentertainer der Bundesrepublik. Als mürrischer Vorsitzender einer “”Kommission zur Verhinderung von Ü- (sprich: überflüssiger) Musik”” inszenierte Hildebrandt sich selbst, entnervt von einer omnipräsenten Beschallung im Alltag, der er nicht zu entfliehen vermag.

Da sind die halbstarken Rowdies, die friedliebenden Straßenanwohnern ihren wohlverdienten Schlaf mit primitivsten “”umta-umta””-Rhythmen durcheinanderbringen, Hotels, in denen der Gast wehrlos jenen unsäglich gefühlsduseligen Schnulzen ausgeliefert ist, und selbst bis in die intimen Rückzugsmöglichkeiten öffentlicher Toiletten, ja bis in den Tod verfolgten einen üble Geister und nötigten den anständigen Normalbürger mit musikalischen Geschmacklosigkeiten. Auch mit dem stets auf der Bühne anwesenden Cellistensextett lag der Herr Kommissionsvorsitzende von Anfang lag im Clinch. Er verfluchte es bei jeder Gelegenheit mit der Drohung, auch sie beziehungsweise die Besetzung der deutschen Opernhäuser werde man über kurz oder lang sicher auch noch durch polnische Gastarbeiter ersetzen.

Dann unterrichtete Hildebrandt sein Publikum, wie man denn die Namen von hochrangigen Vertretern bestimmter – insbesondere bayerischer – Parteien, aber auch etwa von Fernseh-Intendanten mit der gebotenen Geringschätzung aussprechen könne. Und wenn man bei den blödsinnigen Polit-Talkshows gelegentlich nicht viel mehr verstehen könne als die zänkischen Schreie: “Lassen Sie mich doch auch mal ausreden!”, so habe das auch sein Gutes, denn was tatsächlich gesagt wurde, sei wohl in der Regel auch gar nicht der Rede beziehungsweise des Hörens wert gewesen.

Auf der internationalen Eben sei dies aber auch nicht anders. So habe es etwa George Bush mit seinem banalen Shakehands und seinem mit verkniffenen Lächeln gegenüber Gerhard Schröder zustande gebrachtem “How are you?” durchaus an welthistorischer Größe gefehlt. Aus deutscher Sicht sei eine solche Bemerkung aber allemal wohl einem “Who are you?” vorzuziehen. Belehrend trat Hildebrandt auf, als er dem interessierten Publikum Hartz IV erklärte: Früher habe man für den Lebensunterhalt gearbeitet, heute arbeite man für die Hälfte oder noch besser: für einen Euro. Alles sei zumutbar, auch die Manager. Was die meinen, wenn sie sagen, der Mensch sei Mittelpunkt, erklärte Dieter Hildebrandt so: Sie meinten tatsächlich: Der Mensch ist Mittel (.) und würden nur das Satzende laut mit diktieren.

Wie man denn nun dem wohl oder übel verordneten Zwang zum Sparen begegnen könne, das ließ Hildebrandt seine Cellisten demonstrieren: Wie wäre es, zwei Cellisten auf einem Instrument stehend und auf einem Stuhl sitzend spielen zu lassen? Thomas-Mifune und Hannes Simons demonstrierten dem staunenden Publikum, wie das geht. Auch Nationalhymnen könnten ökonomisch zusammengefasst werden, etwa die amerikanische und die russische, die der BRD und die der DDR: Auch dies führten die Cellisten in durchaus eingängiger Weise vor.

Natürlich waren diese Cellisten indessen weit mehr als eine reine Untermalung für Hildebrandts Exkurse. Wer einmal eine Ahnung von der unkonventionellen Klangvielfalt bekommen möchte, die man einem Cello entlocken kann, der möge sich dieses Ensemble anhören. Die Musiker empfinden die Geräusche alter Dampflokomotiven ebenso souverän nach wie fallende Regentropfen, und sie narren den Zuhörer geschickt, wenn sie Evergreens der klassischen Musik zu Kinderliedern mutieren lassen. Da schwieg dann auch gelegentlich ein Kommissionsvorsitzender namens Hildebrandt wohlwollend.

Text: Marcus Pfeifer, Fotos: Meppelink