Die Freunde des französischen Chansons hatten vergangenen Freitag allen Grund zur Freude. Bei einer weiteren Veranstaltung innerhalb ihrer Reihe zum 125-jährigen Jubiläum hatten die GN zu einem Abend mit Georges Moustaki eingeladen. Dieses Konzert in der Aula der KGS Neuenhaus wurde zusammen mit der Kulturpassinitiative Neuenhaus veranstaltet und in bewährter Zusammenarbeit von der AI Gruppe Neuenhaus organisatorisch unterstützt. Volltreffer – kann man nur sagen zur Programmwahl von Michel Sauvadet von der Kulturpass -Initiative.
Schon das Medienecho zeigt das: Bericht im ZDF zur Ankunft von Georges Moustaki, überregionale Pressebeteiligung bis über die niederländische Grenze hinaus, Kartenanfragen im Vorverkauf aus dem Ganzen Bereich von Nord- und Mittelwest. So war es nicht erstaunlich, dass 700 erwartungsvolle Zuschauer die Aula in Neuenhaus bis auf den letzten Millimeter füllten. Trotz geschickter Erweiterung des zur Verfügung stehenden Raumes mit Hilfe von Podesten blieb an diesem Abend keine Fensterbank und keine Treppenstufe ungenutzt. Ja, und dann: Auf der tiefviolett ausgedunkelten Bühne. erscheint schemenhaft der alte Troubadour, im Hintergrund die Drei Mann – Band. Bass und Schlagzeug tupften eine leichte Rumba – Remiszenz hin, damit Thermik unter die Schwingen kommt, und die Freiheit hebt ab. „Ma liberté“. da ist es schon, das alte Sehnsuchtswort, um das so viele seiner Lieder kreisen. Noch dümpelt sie etwas dahin, wir sind nicht mehr fünfundzwanzig, sondern in diesem Jahr fünfundsechzig geworden. Aber nur wenige Atemzüge und die volle Kraft entfaltet sich. Das ist er, wieder und immer noch, schon im ersten Lied: der Sänger des, so schwer zu Erreichenden, schmerzlich Vermissten, tief Ersehnten – der Freiheit, der Liebe, des Glücks, Und wie in alten Tagen hat er das Publikum sofort. Mit spürbarer Spannung folgt es ihm durch den ersten Teil des Programms. Hier wechseln schnellere und langsamere Titel ab, Swingelemente reiben sich an der valse musette. Man kann hören, dass er sich der Wurzeln des französischen Chansons bewusst ist. Man versteht nun den Künstlervornamen Georges des Joseph Mustacchi, der als Hommage an Georges Brassens gedacht ist. Unauffällig mischt er das Neue darunter, Teile aus dem neuen Album „Tout reste à dire“ – alles bleibt uns noch zu sagen. Vor allem neue Rhythmen sind zu hören, südamerikanische, Anklänge an Samba und Bossa Nova. In der ihm eigenen – einfachen Melodik bleibt er sich im Wesentlichen treu. Auch die großen Themen bleiben. Doch sie erscheinen abgemildert in Aggressivität und Schärfe abgeklärter und teilweise ironisch distanziert, besonders deutlich im Lied Nous voulions changer le cours de l’ histoire“ – Wir wollten den Lauf der Welt verändern. Dafür tauchen neue Inhaltselemente auf. „poésie concrète“, Wortspiellyrik, auch ein wenig postmoderne Kulturkritik, z. B. in, Pornographie. Treu und gebannt folgt ihm das Publikum auf seinem mäandrierenden Lauf durch die Zeit. Ohne Anstrengung bringt er es zum Mitsingen mit, „Gardez vos reves!”. Wer möchte nicht seine Träume bewahren, und vielleicht sogar die, Hoffnung, dass es gemeinsame Träume gibt? Treu folgt ihm auch die Band an Schlagzeug, Bass und Leadgitarre, – eine französisch – italienisch- portugiesisch – besetzte Gruppe von technisch versierten Instrumentalisten. Sie liefern ein sicher tragendes Strukturgerüst und treten bescheiden ganz in die Begleiterrolle zurück. Doch den Höhepunkt des Abends bestreitet der Troubadour allein mit seinem Instrument. Nun sind die alten Freunde an der Reihe: „Nous sommes deux“, „Ma solitude“ und viele andere. Das Publikum wird zur Fan – Gemeinde, man singt gemeinsam. Und natürlich, „Le métèque“. Hier ist er immer noch am Meisten er selbst. Der Grieche aus dem ägyptischen Alexandria, der in Frankreich sein Glück sucht und Karriere macht, der als Straßenmusikant beginnt und bis zum höchsten Erfolg aufsteigt, denken wir nur an seinen Titel „Mylord“, den Edith Piaf berühmt gemacht hat. Ein wenig ist er doch immer „le métèque“ geblieben ist. Wie lange sich manche Wörter halten! Metöken waren im alten Athen vor 2500 Jahren – wörtlich übersetzt -, die auch da wohnen. Die aber keine Rechte haben, weil sie wo anders herkommen. Wie die Dinge stehen, wird es dieses Wort auch in 2500 Jahren noch geben: Aber auch, und dies mag uns trösten, immer wieder eine „gueule de métèque“, die dagegen ihre Lieder singt. Es versteht sich von selbst, dass zum Schluss die Band wieder auftaucht und Stimmung macht, dass Georges Moustaki zur Bouzouki greift und Theodorakis singt, und das mit Ay la bamba noch einmal die Wände wackeln. Auch das kann er noch mit fünfundsechzig Jahren. Mit Sirtaki – Schritten tanzt er von der Bühne, nach seiner nostalgischen Reise in die Vergangenheit. Verstehen wir das Wort richtig, in der Muttersprache von Georges Moustaki, nicht als trostlose Hinwendung zum Ewiggestrigen, sondern als ,Heimweh’. Und Heimweh ist nach vorne gerichtet, wie schon Odysseus auf seiner zehn Jahre dauernden Reise erfuhr. Au revoir – qu’on chante ensemble jusqu’au bout, jusqu’ au bout.