Mindestens einige hundert Grafschafter haben am Wochenende die Premiere von Markus Lanz als “Wetten-Dass”-Moderator verpasst, denn sie zogen es vor, Hannes Wader, dem norddeutschen Liedermacher von noch ganz altem Schrot und Korn, ihre Aufwartung zu machen. Diese mittlerweile 70-jährige Institution deutschen Liedermacherhandwerks bewies ihrem sich keinesfalls nur in einem ebenso fortgeschrittenen Alter befindlichen Publikum, dass sie es immer noch drauf hat. Nach einem leicht verkatert klingenden Einstieg mit “Heute hier, morgen dort”, dem wohl bekanntesten Lied aus seiner Feder, belebte sich Waders Gemüt spürbar. Und so konnte manch einer der Zuhörer genüsslich in stimmungsvollen Erinnerungen schwelgen, als Hannes Waders Tonträger noch sehr regelmäßig auf dem Plattenteller landeten.
Es sind eher die scheinbar ruhigen Töne, die Waders Repertoire dominieren, wie zum Beispiel das besinnliche “Schon Morgen”, eine hymnische Liebeserklärung an die beschauliche nordfriesische Landschaft, die 25 Jahre lang Waders Wahlheimat dargestellt hat.
Das Programm hat sonst ein bisschen den Charakter einer abschließenden Rückschau. So setzt er sich selbstironisch, aber auch bei Gedanken an Erbschaftsregelungen mit bissigen Seitenhieben auf die aktuelle ökonomische Situation mit dem Phänomen des Todes auseinander, reflektiert liebevoll die Erinnerung an seinen unlängst verstorbenen Liedermacherfreund Franz-Josef Degenhardt, mit dem er einst viele Plauderstunden unter dessen Kirschbaum verbracht hat. Einen Rückblick auf vergangenes Liebesleben wirft er mit einer Anleihe auf Jacques Préverts “Les Feuilles Mortes”, in dem das fallende Herbstlaub als Metapher für verflossene Liebeleien zu verstehen ist.
Nicht ganz nachzuvollziehen ist daher die Wahl des neueren Titels “Nah dran” als Motto für seine aktuelle Tournee, denn darin stellt er sich in verzerrter Weise als hoffnungslos untalentierten Charmeur dar.
Die deutlichsten politischen Töne schlägt Wader an, wenn er mit einem Lied über Peter Gingold einen jüdischen Widerstandskämpfer ehrt, dem es im von den Nazis besetzten Paris gelang, nach seiner Gefangennahme doch noch durch eine List zu entwischen oder wenn er mit Konstantin Weckers “Was keiner wagt, das sollt ihr wagen” zu konsequentem Querdenken aufruft.
Dagegen outet sich der offenbar sehr romantisch veranlagte Wader auch als Fan einer gänzlich unpolitischen deutschen Volksliedtradition, die für ihn vor allem durch Joseph Freiherr von Eichendorff verkörpert wird. Ihm nachempfunden ist das Lied “Alle Hügel und Täler”, in dem er vom trauten Beisammensein unter der Dorflinde schwärmt.
Seine Zugaben lassen diese Neigung noch umso stärker hervortreten, wenn er zum Beispiel “Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus” interpretiert, gelungen war auch die stilecht vorgetragene englische Ergänzung “Wooden Heart”, die Elvis Presley diesem Lied gab, als er als US-Soldat in Deutschland weilte. Und ganz zum Schluss war dann das Eis vollends gebrochen, als er zumindest den im deutschen Liedgut hinreichend bewanderten Teil des Publikums dazu bringen konnte, gemeinsam mit ihm “Ade nun zur guten Nacht” anzustimmen.