Es gibt Künstler, die erobern ihr Publikum im Sturm. Konstantin Wecker hat das nicht nötig. Als der 61-Jährige die Bühne der ausverkauften Neuenhauser Schulaula betritt, brandet lang anhaltender Applaus auf, noch bevor das erste Wort gesagt, der erste Ton gesungen ist. Zwei Konzertstunden und vier Zugaben später entlässt ihn das knapp 400-köpfige Publikum, gesättigt von zarter Poesie und feister Ironie, harten politischen Kampfliedern und schwärmerischen Liebesmelodien, gewürzt mit einer Prise Altersmilde und einer gehörigen Portion Humor. All das begleitet von feinem, gelegentlich wuchtigem Klavierspiel im Duett mit seinem “pianistischen Alter Ego” Jo Barnikel.
Das berühmte “Weckerleuchten” erfüllt den Saal, der Liedermacher ist freudig erstaunt, dass er seine Fans nach mehr als 30 Liedermacherjahren “da heroben im Norden” derartig in den Bann zieht. Wundert es ihn wirklich? Irgendwann an diesem beeindruckenden Samstagabend liefert er selbst ein Stück der Erklärung. Immer dann, wenn das Leben hart ist, der Gegenwind kalt in die Gesichter bläst und die Wirtschaftsperspektiven sich eintrüben, dann hat einer wie er Konjunktur. Dann klingen die Gesänge aus den Siebzigern zeitgemäß und frisch, trösten die Aufrufe zur Unterstützung der Schwachen und “Weggeknickten”, zünden die Hiebe gegen die “Herren von Geld und Maschinen”.
Hat er nicht gar prophetische Gaben, weil er bereits sieben Jahre vor der beängstigenden Finanzkrise den Totentanz der Manager und Macher besang? Klar, sagt er, lacht ein wenig über sich selbst und lässt die Augen blitzen. Doch was hat’s genützt, die Gesellschaft ließ sich auch von ihm, einem der Letzten der politischen Liedermacher und heute Ikone der Linken, nicht zum solidarischen Miteinander zwingen. Doch dagegen ansingen wird er weiter: gegen Rassenhass und Ausländerfeindlichkeit, Duckmäusertum und gängelnde Moralvorstellungen, Obrigkeitshörigkeit und Turbokapitalismus: “Nur die sich misstrauen brauchen Normen zum Sein”.
Ein Abend mit Konstantin Wecker unterscheidet sich stets vom mitunter freudlos-belehrenden Gehabe seiner Künstlerischen Brüder im Geiste. Dieser Münchner Kraftkerl will “leben im Leben”, er liebt die Lust, und wenn “der Sommer nicht mehr weit ist”, dann schauen “die Madl wie Äpfel aus”. Ihm wird “genug nie, nie genug” sein. “Alles das und mehr” eben, mächtig auf die Nase fallen inklusive. Nicht jeder lässt sich davon anstecken, manchem war und ist soviel bajuwarischer Bocksgesang doch reichlich suspekt. In Neuenhaus fand der Wecker-Virus jedoch reichlich Nahrung.
Und die politische Botschaft? Der Mann kann noch immer anders, kann speichelsprühend “zürnen, toben, schrei’n”. Und das fordert er in einem seiner besten Songs: “Sage nein!”, einer kraftvollen und zeitlos gültigen Aufforderung zur Zivilcourage. Sehr bewusst begegnet Wecker der Diskussion um die aktuelle Stauffenberg-Verfilmung davor mit einem Hinweis auf die Geschwister Scholl, die in seinen Augen die wahren Helden des Widerstands gegen Hitler waren.
Die Veranstalter von der Neuenhauser Kulturpassinitiative können mit Recht sagen, dass der Auftakt zu ihrem 20. Bühnenprogramm kaum besser hätte gelingen können. Konstantin Wecker wird schwer zu übertreffen sein. Er wärmte die Herzen.