Rebekka Bakken

Welch eine Stimme! – Rebekka Bakken entzückt beim Kulturpass

Wesentlich mehr Zuhörer, als erwartet, konnte Claudia Lübbermann zum
Eröffnungskonzert der Kulturpass-Saison am Freitagabend im Forum begrüßen. Auf ihrer
Deutschland-Tournee gastierte die bekannte und mehrfach ausgezeichnete norwegische Sängerin
Rebekka Bakken nach der Hamburger Elbphiharmonie, Stuttgart und Hannover nun auch in
Neuenhaus. Und natürlich begann sie, bevor sie in ihrem dunklen Outfit und mit roten High Heels vor dem rot ausgeleuchteten Hintergrundvorhang ans Klavier trat, auch mit den traditionellen ironischen Bemerkungen über den Auftritt im fernen, auf den ersten Augenschein hin öden und leeren und sich doch als so liebenswert erweisenden Provinzstädtchen. Das zahlreiche Publikum nahm denn auch dankbar jeden ihrer großenteils eigenen Songs mit herzlichem, teils langandauerndem Beifall und am Ende sogar mit Standing Ovation entgegen, was hierzulande lange nicht üblich war.
Anders als in früheren Tourneen ließ die Sängerin sich diesmal nicht von einer Band begleiten,
sondern gestaltete ihre Musik allein am Klavier. Über einer stets einprägsamen Begleitung
präsentierte sie Songs von außerordentlich weitem Klangspektrum. Das Schrille gelingt ihr ebenso
wie das Zärtliche und Besinnliche. Da sind Country-Anklänge zu vernehmen, jazzige Improvisationen, und manchmal erinnert sie sogar an den klagenden Renaissance-Songwriter John Dowland. Dabei spiegelt ihr Gesang immer wieder eigene Lebenserfahrungen. Denn der Abend ist biographisch aufgebaut, freilich ohne Gewähr für wirkliche Authentizität. Zu ihrem bewegten Leben gehören der Ausbruch aus der Enge des Heimatdorfes, des norwegischen Protestantismus, der Bürgerlichkeit.
Doch gerade der Kirchengesang öffnete ihr den Weg zur Musik als dem Kern ihres Lebens. Dieser
Weg führte sie über New York und Wien wieder zurück in die norwegische Heimat und das
Familienleben. Da sie fast ausschließlich englisch singt und spricht, kann der Hörer gewiss nicht alle Feinheiten ihrer Lieder und Kommentare nachvollziehen; aber er findet den gemeinten Sinn in der Musik wieder, die ihn bei jedem neuen Lied wieder in den Bann zieht. Gegen Ende des Konzertes zollt sie dann wichtigen Vorbildern Tribut. So hat sie mit der Bigband des Hessischen Rundfunks eine CD mit Tom Waits-Songs produziert. Und um Geschmack auf die geplante neue CD zu erzeugen, gestaltet sie eine eindrucksvolle Cover-Version von Elvis‘ „You Were Always On My Mind“ und macht daraus ein wahres Kunstlied.
Zweimal im Laufe des Abends lässt Rebekka Bakken den Singer-Songwriter-Mainstream hinter sich. Auf der verdunkelten Bühne singt sie unbegleitet, nur von einem Spot angestrahlt, zwei besonders eindrucksvolle Lieder und zeigt damit ihre große Gesangskunst noch eindringlicher als am Klavier. Eine fast ausufernde Psalmodie und ein norwegisches Abschiedslied, das die nationale Folklore zugleich bündelt und veredelt, krönen so diesen bewegenden Abend

Text: Jörg Leune, Fotos: Klaus Mosch-Wicke